Im Nordwesten nichts Neues - Wahlkampfgeklingel aus Niedersachsen
Zugegeben, der Titel ist etwas älter, die hier zur
Debatte stehende Quelle auch deutlich weniger gehaltvoll. Unisono berichteten
regionale und überregionale Medien über ein Eckpunktepapier zum Wolf, in dem
sich eine Bundesministerin mit Verfallsdatum und ein Ministerpräsident ohne
Mehrheit zu einem neuen Umgang mit dem Wolf bekennen wollten.
Wörtlich wird daraus zitiert: „Wölfe, die „sich Menschen
gegenüber auffällig verhalten, sind zu beobachten und gegebenenfalls zu töten“.
Weiter heißt es, dass es auch ganzen Rudeln, die den „zumutbaren und empfohlenen
Herdenschutz“ überwinden, ans Fell gehen soll.
Ist das neu? Mitnichten!
Was hier frisch verpackt zum Wahlkampf verkauft werden
soll, steht in sämtlichen Managementplänen für den Wolf in Deutschland. Es ist
auch nach FFH- Richtlinie und Bundesnaturschutzgesetz seit vielen Jahren
rechtlich abgesichert.
Nur hat die Sache einen Haken! Derzeit scheinen die mit
derartigen Problemen konfrontierten Bundesländer mit tatsächlich drei Ausnahmen
in fast 20 Jahren Wolf eher unter Lähmungserscheinungen denn unter Aktionismus
zu leiden. Diese drei Ausnahmen betrafen Wölfe, die sich Menschen völlig
unbefangen näherten und bei Betroffenen berechtigt Angst verbreiteten. Kurti als
erster und bisher einziger „entnommener“ Wolf in DE erreichte fast die traurige
Berühmtheit des Bären Bruno, der 2006 mit seinem Verhalten ebenfalls keine
Überlebenschance in deutscher Kulturlandschaft hatte.
Bis heute gab es keine Genehmigung zur „Entnahme“ von
Wölfen, welche über Gebühr Nutztierschäden verursachten, sei es die
Goldenstedter Wölfin mit über 200 gerissenen Nutztieren, seien es die Cuxhavener
Wölfe mit ihrer Vorliebe für Rinder an moorigen Gräben oder das Rosenthaler
Rudel mit einem mehrjährigen und mehrstelligen Sündenregister. Das sind
Beispiele für ein Verhalten, welches in anderen Ländern mit deutlich geringeren
Wolfsbeständen umgehend zu Schutzjagd oder staatlich angeordneter Tötung, um den
Euphemismus der „Entnahme“ zu vermeiden, zur Folge gehabt hätte. Die Nachkommen
dieser Rudel werden ihre Fähigkeiten in ihre zukünftigen Reviere mitnehmen.
Was macht man daraus in Deutschland?
Dressuraufgaben für die Weidetierhalter!
Die jeweilig Verantwortlichen für
den Herdenschutz - Welche Verantwortung tragen sie?? - erfinden regelmäßig neue
Experimente, die von den Tierhaltern in ihrem Auftrag durchzuführen sind, um
vielleicht damit den Stein der Weisen gegen Nutztierrisse
zu
finden. Der Wolf wird jede weitere Dressuraufgabe mit Bravour erledigen, ist er
denn erstmal auf den Geschmack von Schaf, Ziege oder Kalb gekommen. Dem
Tierhalter sind da Grenzen gesetzt, wo Arbeitsaufwand und Investitionen für den
Herdenschutz ungeachtet begrenzter staatlicher Förderung nicht mehr zu stemmen
sind.
Da führt die Dressuraufgabe bald
zur Betriebsaufgabe! Bei jedem einzelnen Fall sind die verantwortlichen
Politiker und Verwaltungsbeamten zu fragen, wie sie die Konsequenzen für die
Betroffenen im Verhältnis zum Schutz einer objektiv nicht gefährdeten Art
vertreten wollen. Liest und hört man in diesem Zusammenhang Kommentare von
„Herdenschutzbeauftragten“,
vgl. aktuelle
Rissliste Freistaat Sachsen,
kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als
sei für sie jeder aufgebende Tierhalter ein gelöstes Problem.
Dass sich Politiker im Umfeld von Wahlkämpfen so
komplizierten Zusammenhängen wie Weidetierhaltung und Biotoperhaltung in Natura
2000 Gebieten überhaupt ehrlich annehmen, sollte nicht vorausgesetzt werden.
Weder Weidetiere noch Biotope haben ein Stimmrecht, was direkt zurückführt auf
die Urheber des Wahlkampfgeklingels in Niedersachsen. Denen kann man aus Zitaten
der Vergangenheit weder die erforderliche Sachkenntnis bescheinigen, noch dass
sie gegenüber den Lobbyeinflüssen einschlägig bekannter Verbände in der Lage
sind, die Lufthoheit im eigenen Hause zu behaupten. Minister kommen und gehen.
Die wahren Entscheider in den Amtsstuben kümmert deren Wahlkampfgeschwätz nicht.
Es kümmert sie ebenso wenig wie die wirtschaftlichen und emotionalen
Belastungen, denen Tierhalter in Wolfsgebieten ausgesetzt sind.
Schade nur, dass die Tagespresse diesen Köder so bereitwillig und
unkritisch geschluckt hat.