Und jährlich grüßt das Murmeltier - die Pressekonferenz des BfN zum Wolf
Aktuelle Zahlen: 60 Wolfsrudel in Deutschland
HALT! Der possierliche Bergnager begibt sich gerade in den Winterschlaf. Er hat sich hoffentlich ordentlich Speck angefressen und das alljährliche Theater um einen anderen, deutlich prominenteren Akteur unserer Tierwelt geht ganz weit hinten an seinem sicheren Bau vorbei.
In den Niederungen der Bundeshauptstadt hielt mit leichter Verspätung das Bundesamt für Naturschutz Hof, um Presse und gemeinem Volk mitzuteilen, wie es denn um den ach immer noch in einer „insgesamt ungünstigen Erhaltungssituation“ befindlichen Canis lupus lupus aktuell bestellt sei.
AKTUELL? Nun ja, es ging um die Ergebnisse des Monitoringjahres 2016/17, welches am 30. April 17 endete und genau das widerspiegeln soll, was man in dieser Zeit über den Wolfsbestand in Deutschland feststellen konnte, oder weniger positiv ausgedrückt, zuzugeben bereit ist. Wildlebende Tiere in unseren Breiten bekommen im Frühjahr Junge. Bis zum Herbst sind sie aus dem Gröbsten heraus und dann kann man verlässliche Daten ermitteln, wie sich ein solcher Bestand entwickelt. Also wurde hier das als neue Nachricht verkauft, was an Wölfen nebst Nachwuchs in den Wurfhöhlen im Frühjahr 2016 bereits vorhanden und dann bis Ende April 2017 amtlich nachgewiesen war. Zugegeben, und das wissen Praktiker seit Generationen: Wildtiere kann man nicht zählen.
Wer als Wolf bis zu diesem Tag nicht seinen Existenznachweis nach den komplizierten Kriterien des deutschen Wolfsmonitorings erbracht hatte, ist schlicht nicht existent, zumindest für das BfN in seiner offiziellen Darstellung. Was dabei gezählt wird, darf man schonend als eingeschränkte Perspektive bezeichnen. Der Artenschutz zählt grundsätzlich nur Tiere, die ausgewachsen sind und an der Fortpflanzung teilnehmen können (adulte Tiere). Aus den gerade in Berlin verkündeten Zahlen wurde dabei der offizielle deutsche Wolfsbestand von 60 Rudeln, 13 Paaren und drei Einzeltieren auf 149 Tiere herunterdestilliert.
Aber was ist mit denen, die noch nicht alt genug waren oder den Weg ins Meldeamt nicht gefunden haben?
Die Erfahrung zeigt nach fast 20 Jahren Wolf in DE, dass auch diese Tiere satt werden wollen und Lebensraum beanspruchen. Satt werden sie in zunehmendem Maße von Weidetieren, weil ihr Lernprozess des bequemen Nahrungserwerbs nicht von uns dummen Menschen unterbunden wird. Das mag in Einzelfällen immer noch daran liegen, dass hier und da ein angebundenes und damit angebotenes Schaf als ungewolltes „Schaf to go“ zum Snack wird. Viel wichtiger ist aber, dass es in Deutschland Landschaften gibt, die in ihrem Erhalt zwingend auf Weidetiere angewiesen sind und sich weder mit Zäunen noch mit Herdenschutzhunden langfristig schützen lassen. Augenfällig sind die Heide- und Marschlandschaften mit den Fluss- und Küstendeichen, wo der Konflikt zwischen Weidetier und Wolf in aller Deutlichkeit angekommen ist. Auch die Alpenregion sollte nicht vergessen werden.
Wie es mit dem Herdenschutz und seiner Förderung im Lande bestellt ist, lässt sich auch an den 1.100.963 Euro ablesen, die im Jahre 2016 von den Bundesländern dafür ausgegeben wurden. Dieser Betrag würde gerade einmal reichen, um z.B. 1.300 Hektar Rinderkoppeln durchschnittlicher Größe wolfssicher zu zäunen. Alleine für den Landkreis Cuxhaven werden die Kosten für eine solche Zäunung auf ca. 250 Mio. Euro geschätzt. Wer in diesem Zusammenhang fordert, dass es in DE einen flächendeckend wolfssicheren Herdenschutz geben müsse, erkläre bitte, welchen Beitrag man aus dem eigenen Budget dafür bereitstellen möchte.
Der Wolf kommt, der Wolf beobachtet und lernt. Wenn er gelernt hat, macht er Beute - ohne negative zwingend auch tödliche Erfahrung immer wieder. Sämtliche Vorschläge, dieses völlig natürliche Verhalten mit den Mitteln zu unterbinden, welche in vielen Nachbarländern mit Erfolg im Sinne der Betroffenen und des Tierschutzes eingesetzt werden, gelten in Deutschland als fundamentale Angriffe auf den Artenschutz, den Schutz einer Art, die vielleicht regional im Europa des ausgehenden 20. Jh. im Bestand gefährdet, aber zu keiner Zeit wirklich bedroht war. Wenn sich das BfN jetzt auf seine Rote Liste von 2009 und den FFH-Bericht von 2013 berufen möchte, dann ging es damals um 8 bzw. 31 Vorkommen in Deutschland. Jetzt vermeldet man für 2016 bereits 76 Rudel, Paare und Einzeltiere, bei denen aus der Erfahrung heraus noch einige Nachmeldungen zu erwarten sind. Die Ausbreitung des Wolfes und das Wachstum der Population folgen nun einmal nicht einem zunehmend überforderten Monitoring. Die Vermehrungsrate liegt weiterhin über 30 % p.a., was sich jederzeit aus der Fortschreibung der von der DBBW für die vergangenen Jahre publizierten Zahlen ablesen lässt. Hatte man dort für 2015/16 nach mehreren Korrekturen schließlich 72 Vorkommen bestätigt, sollen es im Folgejahr nur 76 sein? Es sei den Verantwortlichen angeraten, zur Überprüfung ihrer Ergebnisse auch einmal den Taschenrechner zu Rate zu ziehen. Was jetzt der Öffentlichkeit in Sachen Wolf präsentiert wurde, war weder aktuell noch plausibel. Inzwischen dürfen wir für diesen Herbst von deutlich über 100 Wolfsvorkommen in DE und einer Gesamtpopulation von ca. 1.000 Wölfen ausgehen
Der weitere Blick in den zu diesem Termin ausgereichten „Pressehintergrund“ enthält dann auch noch gefährliche Stilblüten zum Verhalten von Wölfen in der Kulturlandschaft, entnommen einem BfN-Skript, welches nach lautstarken Protesten aus betroffenen Bundesländern noch nicht offiziell das Licht der Öffentlichkeit erblickte und beste Aussichten hat, schnellstens wieder eingestampft zu werden.
Wer bei der Annäherung von Wölfen an bewohnte Häuser oder an Menschen erst bei 30 m und im Wiederholungsfalle einen Grund sieht, dieses Verhaltenzu analysieren um dann mögliche Anreize zu entfernen und die Öffentlichkeitsarbeit zu intensivieren, dem ist jeder Realitätssinn in der aktuellen Auseinandersetzung um das Zusammenleben von Mensch und Wolf in der Kulturlandschaft abhandengekommen. Die Menschen und ihre Weidetiere in den Wolfsgebieten sind nicht die Versuchskarnickel irgendwelcher Wolfsphantasten in den Amtsstuben.
Die Realität des Zusammenlebens mit dem Wolf zeigt sich in Cuxland, in Goldenstedt und in Rosenthal, um nur einige Beispiel zu nennen. Sie findet weder an den Schreibtischen von BMUB und BfN noch in Oberammergau statt. Aber das kann noch werden.