„DIE VERBÄNDE“ UND DER WOLF

Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für den Wolf zur Tötung von schwerst verletzten Wölfen [Canis lupus] und zur Vergrämungoder Entnahme von Wölfen mit für Menschen problematischem Verhalten
(Brandenburgische Wolfsverordnung – BbgWolfV)

Unter diesem sperrigen Titel gibt es seit dem 29. Mai 2017 den Entwurf einer Wolfsverordnung für das Land Brandenburg, der verschiedenen Verbänden zur Stellungnahme vorgelegt wurde und, wie es mit Entwürfen ist, auch Kritik hervorrief.

Neben Bedenken aus der Reihe der direkt Betroffenen in der Landwirtschaft gab es nun auch eine öffentliche Wortmeldung mehrerer mit dem Schutz des Wolfes befasster Verbände in Form eines offenen Briefes an den zuständigen Minister.  LINK

Mit einem breiten Briefkopf und teilweise bekannten Logos lässt sich vordergründig die Wiedergabe einer Mehrheitsmeinung suggerieren. Wenn man sich dann noch im einleitenden Text mit „… ist nach Ansicht der Verbände..“   ins Spiel zu bringen versucht, sind Absicht und Umfang dieser Allianz zu hinterfragen. 

Öffentliche Kritik zu üben, nichts anderes ist ein offener Brief, heißt aber auch, den Gegenstand dieser Kritik für den Leser sichtbar zu machen. Ohne den Entwurf zu kennen, kann niemand die Kritik verstehen, schon gar nicht die damit aufgebauten Drohkulissen. Deshalb gibt es hier den Entwurf der Verordnung:  LINK

Ein erster Entwurf einer solchen Verordnung erhebt sicher nicht den Anspruch fehlerfrei zu sein,   aber er ist ein Schritt in die richtige Richtung, der für die direkt Betroffenen und die tatsächlich Verantwortlichen langfristig zu Rechts- und Handlungssicherheit im Umgang mit dem Wolf im Lande führen soll. Von daher ist die fundamentale Kritik der Absender, der Entwurf sei rechtswidrig, nicht konstruktiv.

Wann immer die Gefahr besteht, dass einem Wolf ein Haar gekrümmt werden könnte, drohen eingefleischte Wolfsschützer reflexartig mit der großen Keule der EU-Vertragsverletzungsverfahren. EU und nationales Recht sehen die Ausnahmeregelungen vor und andere Länder in Europa leben uns das vor. Länder wie Frankreich, Schweden und Finnland haben ihre Verfahren nicht entwickelt, um europäisches Recht zu brechen, sondern um dem Art. 16 der FFH-RL Rechnung zu tragen. Wenn in diesem Zusammenhang von „den Verbänden“ eine Verschärfung bestehender Konflikte prognostiziert wird, ist leicht nachzuvollziehen, was man dort plant.

Aus dem vorliegenden Entwurf ist nicht herauszulesen, dass diese Verordnung den fachgerechten Schutz von Weidetieren ersetzen soll. Vielmehr ist im § 2 (4) klar definiert, wann bei Versagen des Herdenschutzes von einem  „für Menschen problematischen Verhalten“ auszugehen ist. Ob und wie alle dann beschriebenen Maßnahmen, insbesondere die der Vergrämung,  in der Praxis anwendbar sind, darüber wird mit Fachleuten zu reden sein. Das Zitat:“ Die Verordnung darf keinesfalls die notwendigen Bestrebungen ersetzten, Herdenschutzmaßnahmen flächendeckend, praktikabel und finanzierbar umzusetzen.“ zeugt von völliger Unkenntnis dessen, was bereits heute von Weidetierhaltern in den Wolfsgebieten geleistet wird und von fehlenden Vorstellungen, was eine wolfssichere Verdrahtung unserer Landschaft für die übrige Natur bedeutet. Die Falschaussage zu rückläufigen Risszahlen in angestammten Wolfsgebieten (vgl. Risszahlen aus 2015 und 2016) ist der Sache ebenso wenig dienlich, wie die Vermischung von Problemen des Herdenschutzes mit möglichem Fehlverhalten der Bevölkerung.

Warum man es scharf kritisiert, dass jetzt Weidetierhalter nach § 4 berechtigt sein sollen, Wölfe an ihren Koppeln zu vertreiben und dafür geeignete Maßnahmen zu ergreifen, erschließt sich dem Leser nicht. Gerade die Tierhalter sind es, die durch eigene Beobachtung oder Rissereignisse als erste feststellen, dass in einem Gebiet der festgelegte Herdenschutz nicht mehr ausreicht. NEUTRALER fachlicher Rat und schnelle Absprache mit den zuständigen Stellen VOR ORT sind hier Grundbedingung. Für diese Aufgabe der DBBW eine zentrale Rolle zuweisen zu wollen, ist schon deshalb fern der Praxis, weil diese weder personell noch geografisch in der Lage wäre, diese Aufgabe landesweit zu erfüllen.

Wer sich den Begriff der Vergrämung nicht erklären kann, sehe bitte im Duden nach. Nachhaltige Methoden zur Vergrämung von Wölfen haben wir bisher in DE nicht. Entsprechende Versuche sind bei dem Wolf MT6 teuer und kläglich gescheitert.   Über „unprovoziert aggressives Verhalten“ haben sich in der Vergangenheit Verfasser wie Paul Paquet, Doug Smith und auch Günther Bloch und Elli Radinger hinreichend geäußert. Nach der Lektüre werden die Kriterien dafür verständlicher.

Wenn man nach im § 2 (4) beschriebenen Wolfsübergriffen im „Idealfall“ zuerst eine Handlungskette von der Ursachenforschung bis zum Einsatz eines „professionellen, voll ausgerüsteten Einsatzteams“ abarbeiten möchte, ist die Weidesaison vorüber und die Herde gefressen. Wer bezahlt das Team? Wer ersetzt die Schäden?

Die öffentlich vorgetragene Kritik der Unterzeichner zeugt von deren völlig fehlender Kenntnis der tatsächlichen Situation in den Wolfsgebieten und nicht dem geringsten Verständnis dafür, dass der Wolf derzeit nicht nur in Brandenburg die Weidewirtschaft als ökologische Form der Landnutzung in Frage stellt. Außer Frage steht dabei, dass „die Verbände“ wenig geeignet erscheinen an der fachlichen Verbesserung dieses Entwurfes mitzuarbeiten.

Inhalt und Form der Kritik sollten den zuständigen Minister ermutigen, den vorliegenden Entwurf im Zusammenwirken mit den tatsächlich Betroffenen und neutralen Fachleuten weiter zu beraten. Das ist die Sache wert, denn eine gut gemachte Wolfsverordnung aus Brandenburg mit der höchsten Wolfsdichte in DE kann für andere Bundesländer Modellcharakter haben. 

 

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