EINE DUNKELKAMMER DER WÖLFE
Schleswig-Holstein versucht sich schon länger im Umgang mit dem Wolf, seit 2007 der erste, eher zufällige Versuch der Rückkehr dieser Art auf der B76 bei Süsel für Deutschland arttypisch endete: Er wurde wie viele seiner Artgenossen in für ihn zu enger Landschaft totgefahren.
Was sich danach im Norden in Sachen Wolf und Wolfsmanagement entwickelte, lässt sich bis heute zwischen Illusion und Dilettantismus verorten, wenn man sich mit Hintergründen und Einzelheiten des Geschehens befasst. Die Entwicklung in Sachsen und Brandenburg wurde schon vor Ort sehr spät erkannt, weil man sich auch dort nicht ernsthaft mit der Anpassungsfähigkeit und Populationsdynamik des Wolfes befasst hatte und von seiner – vermeintlichen – Rückkehr euphorisiert war, denn zumindest im Osten des Landes war er schon immer mal da, um bis zur Wende mit aller Härte und auch unter Jagdrecht verfolgt zu werden.
Die Euphorie der zunehmend betroffenen Landbevölkerung verhielt und verhält sich exakt umgekehrt proportional zu Ausbreitung und Bestandszunahme der Art. Spätestens mit der Zunahme von offiziell bestätigten Nachweisen 2014/15 und der zu dieser Zeit beschleunigten Ausbreitung, zehn Territorien waren zu dieser Zeit im Nordosten Niedersachsens bestätigt, wäre in Schleswig-Holstein ein kritisches und vor allem rechtzeitiges Nachdenken über die Verträglichkeit von Weidetierhaltung und Wölfen durchaus sinnvoll gewesen. Angesichts von gut einer Million Weidetieren zwischen Nord- und Ostsee und einer im Wesentlichen auf Weidetierhaltung ausgerichteten Landwirtschaft ein zwingend notwendiger Ansatz.
Artenschutz und die Freude über die „Rückkehr“ einer Art verhinderten jegliche sachliche Argumentation und mit dem bedeutungsvollen Hinweis „auf Europa“ wurden berechtigte Bedenken beiseite geräumt. Bis 2018 ließen sich eben diese Bedenken noch unter den Teppich kehren, auch wenn sich zu dieser Zeit die Zweifel an den offiziellen Ergebnissen des Monitorings und der Rissbeurteilung nicht mehr verheimlichen ließen. Spätestens mit dem Ausflug der Ulfsborger Wolfswelpen aus Dänemark und fast 200 Rissen mit über 400 Tieren hätten im Weidetierland Schleswig-Holstein alle Alarmglocken bei den politischen Verantwortlichen schrillen müssen. Jedoch, in der Landeshauptstadt gab es keine Risse und erklärte Verehrer des Wolfes waren inzwischen mit seiner Verwaltung bestallt, was den ohnehin nicht lösungsorientierten grünen Entscheidungsträgern offenbar entgegenkam.
Auch das Folgejahr 2019 mit mindestens 185 Rissen und 460 betroffenen Weidetieren brachte zwar mit großer Verspätung eine Abschussverfügung für den inzwischen prominenten Pinneberger Wolf GW924m, die aber Dank rechtzeitiger Ankündigung und wohlwollender Duldung von Störaktionen militanter Wolfsschützer so erfolglos blieb wie auch aktuelle Versuche in Niedersachsen mit gleichem Hintergrund. GW924m endete im Januar 2020 auf Partnersuche bei einem Autounfall in Niedersachsen.
Wenn es in diesem Jahr bis dato in S-H offiziell erst 29 anerkannte Wolfsrisse mit 65 Tieren gegeben haben soll, so ist das alleine dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass
- sich wegen überbordender Bürokratie in der Rissbeurteilung aktuell noch einmal fast die gleiche Zahl „in Prüfung“ befindet,
- und für den Schaden vielleicht zu zahlender „Billigkeitsleistungen“ des Landes viele Tierhalter freiwillig auf dieses arbeitsintensive Almosen verzichten.
Die Zahlen für 2020 zu beurteilen verlangt allerdings den Blick in zwei völlig unterschiedliche Listen, weil man sich offenbar entschieden hat, den Schein etwas größerer Transparenz zu erwecken. Wurden bis zum 30.04. diesen Jahres die gesammelten Nachweise unter dem Titel: Wolf: Tabellen zu Tierrissen und Sichtungen in Schleswig-Holstein von Anbeginn an in einem einheitlichen Format dargestellt, welches zwar konkrete Örtlichkeit und Anzahl der betroffenen Tiere darstellte, aber nicht den tatsächlichen Befund und bei Nutztierrissen nur selten die Tierart auswies. Die Mängel dieser Listen wurden vielfach kritisiert. Man hat es sich zu Herzen genommen und sie bereitwillig durch andere ersetzt!
Jetzt gibt es für alle Risse ab dem 01.05.2020 auf gleicher Seite unter diesem LINK eine Liste mit dem Copyright „©Projektgruppe Wolfsmanagement“ zum Download, die in wesentlichen Teilen veränderte Daten enthält.
So dürfen wir jetzt rätseln, wo in den Ämtern des Landes tatsächlich Wölfe nachgewiesen wurden, obwohl zuvor die der Allgemeinheit geläufigen Ortsnamen bekannt waren und veröffentlicht wurden. Zwar ließ man sich herab, bei Nutztierrissen mit Ausnahmen die Tierart zu nennen (die Tierart „Sonstiges“ kennt auch Brehms Tierleben nicht), dafür verschwand bei Wildtierrissen jegliche Konkretisierung. Es macht einen gewissen Unterschied, ob in der Tierhaltung Huhn, Hauskaninchen oder Turnierpferd zu Schaden kommen oder in freier Wildbahn Hase oder Hirsch. Es sind Daten, die unter Einsatz öffentlicher Mittel erhoben werden, entsprechend sind sie zu veröffentlichen!
Dabei macht es nur für das betroffene Tier einen Unterschied, ob es vom Wolf getötet wurde oder es anschließend von seinen Leiden erlöst (euthanasiert) werden musste. Ob überdies Tiere vermisst wurden, scheint die Verantwortlichen nicht zu interessieren.
Was sollen Angaben zur Zäunung, wenn man dazu nicht angeben mag, ob der Riss in einem Wolfspräventionsgebiet stattfand oder außerhalb. Ohne diese Angabe zeigt ein „nein“ böswillig auf einen vermeintlich im Herdenschutz untätigen Tierhalter, der außerhalb der so genannten WPG’s keinerlei Anspruch auf Förderung des Herdenschutzes hat. In diesem Zusammenhang wäre die Verträglichkeit derartiger Zäunungen in Bezug auf weitere Naturschutzziele zu prüfen. Ganz so, wie jede Ortsumgehung oder Teilstrecke eines Autobahnausbaus diesen Naturschutzzielen nicht selten erliegt, wo Rotbauchunke oder Siebenschläfer ihren Lebensraum gewählt haben. Genau dort werden diese kleinen Mitgeschöpfe mit dem gleichen Schutzstatus wie der Wolf, aber deutlich geringerer Popularität in jenen Hochleistungszäunungen bei 6000 Volt gegrillt.
Nochmals interessant wird es unter der Rubrik „Endbewertung (erfahrene Person)“, die seit dem 01.05.20 bei 55 Ereignissen einen Bearbeitungsstand von gut 50 % ausweist. Das mag in dem kurzen Zeitraum vertretbar sein, nur bitte, warum hat man diese in der Vorzeit bis zu diesem Datum der Öffentlichkeit vorenthalten? Damit enthalten alle bis dahin veröffentlichten Listen zwar einen Hinweis auf genetische Befunde, aber keine offizielle Bewertung des Ereignisses.
DIESE DATEN SIND ZWEIFELSFREI VORHANDEN UND IN DEN RISSLISTEN NACHZUREICHEN!
An dieser Stelle sind die Betroffenen, ihre Verbände und die Volksvertreter ihrer Landkreise gefordert, das sogenannte Wolfsmanagement des Landes und den dafür zuständigen Minister in die Pflicht zu nehmen. Vorenthaltene Daten sind ausnahmslos zu veröffentlichen und für die Zukunft ist dies zeitnah sicherzustellen.
Geschieht das nicht, ist kein Cent für das gerechtfertigt, was sich heute in Schleswig-Holstein „Wolfsmanagement“ nennt.