Wolf oder nicht Wolf? Das ist hier die Frage.
Rätselhaftes über den Wolf in Deutschland
Die Diskussion um das, was hier als Wolf durch unser Land streift, hat über die Jahre deutlich an Schärfe zu- und an Sinngehalt zügig abgenommen.
So mutierten die sich nachweislich aus dem Baltikum und dem Nordosten Polens ausbreitenden Wölfe sehr schnell in der öffentlichen Darstellung zu einer auch genetisch eigenständigen Population, die angesichts ihrer raschen Ausbreitung auch noch schnell umgetauft werden musste. Wie sich diese Wölfe unter einer ständigen Zuwanderung aus den Ursprungsgebieten östlich der Weichsel binnen weniger Jahre genetisch soweit ausdifferenzieren konnten, bleibt ein Rätsel der Genetiker. Die Evolution alleine hätte das nicht geschafft. Auch dürfte der politische Wille dazu beigetragen haben, dieses Naturwunder zu erhalten. Wer die Populationsentwicklung und die bestens dokumentierten Verbreitungskarten der Wölfe aufmerksam beobachtet hat, bedarf keiner übernatürlichen Erklärungen dafür, dass sich Canis lupus wieder zügig nach Westen ausbreitet und sich keineswegs aufgrund eines neuen Namens als „Mitteleuropäische Flachlandpopulation“ neu erfindet.
Doch was sind das eigentlich für Wölfe, die da zu uns gekommen sind und weiterhin kommen? Schnell machten bereits mit den ersten Wolfsrudeln in der Lausitz Gerüchte die Runde, diese seien alle illegal ausgesetzt oder gar mit dem Linienbus gekommen. Die Stichworte „Pjotrs Buslinie“ und „Spaghettiwölfe“ mögen als Hinweis genügen
Ein wesentlich ernsteres Thema ist der Reinheitsgrad des Wolfes an sich. Plakativ steht dazu im Raum:
DAS SIND ALLES HYBRIDEN!
OK, das ist richtig und jedem verständlich, wenn man daran erinnert, dass unsere Hunde vom Wolf abstammen und dass der Mensch mit seinen Hunden und der Wolf seit Jahrtausenden den selben Lebensraum teilen. Dass es dabei immer wieder bis in die heutige Zeit zu Rückkreuzungen zwischen Hund und Wolf kam und kommt, ist allgemein bekannt. Das sind nicht nur Zufallspaarungen zwischen streunenden Hunden und Wölfen. Es hat auch immer wieder Rückkreuzungen gegeben, um Hunde mit bestimmten wölfischen Eigenschaften oder wolfsähnlichem Aussehen zu erhalten. Bekannteste Folge davon in der Natur sind die Timberwölfe in Nordamerika, deren Farbvariationen auf Hundegene zurückgeführt werden.
Auch der vom Phänotyp ideale Grauwolf in Europa wird in den Tiefen seines Genoms immer etwas Hund in sich haben. Deshalb eine gesamte Population zu nicht schützenswerten Bastarden zu erklären, ist schwerlich zielführend und vor allem nicht durchsetzbar. Gefordert wird das immer wieder, zuletzt anlässlich einer groß angekündigten Pressekonferenz bei einer sehr kleinen Partei in Dresden. Die aufgetretenen Protagonisten konnten dort ihre seit Jahren bekannten Thesen wiederholen. Neue Erkenntnisse waren nicht zu vernehmen. Der Versuch, die Kraniometrie erneut als Teilgebiet der Anatomie zu einer Wissenschaft ohne Lehrstuhl zu erheben, kann nur noch dort verfangen, wo man sich bisher mit dem Thema nicht befasst hat.
Das ist so wenig zielführend, wie die Schwarzweiß-Entscheidungen des nationalen Referenzlabors Senckenberg, wenn anhand der mtDNA (mitochondriale DNA, die ausschließlich in der mütterlichen Linie vererbt wird) Genetikproben von Nutztieren als Wolf oder „Nichtwolf“ bewertet werden. Weitere Ergebnisse dazu gelangen, abgesehen von gelegentlichen Veröffentlichungen der Rudelherkunft eines Tieres oder dessen Registriernummer im Referenzlabor nicht an die Öffentlichkeit. Offiziell hat es in Deutschland seit 2000 zwei Fälle gegeben, wo Wölfinnen sich erfolgreich mit Haushunden gepaart hatten (2003 Neustadt, 2017 Ohrdruf). In beiden Fällen ist man nicht aller Welpen habhaft geworden. In Ohrdruf wurde der Versuch zudem von fehlgeleiteten Tierschützern sabotiert.
Wenn in diesem Zusammenhang von Frau Ilka Reinhard (LUPUS) am 18.04.18 vor dem Umweltausschuss des Bundestages zu Protokoll gegeben wird: “Es gibt SNP-Analysen (single nucleotide polymorphism), wo auch Hybridisierungs-Ereignisse bis in die dritte Hybridgeneration genetisch nachgewiesen werden konnten.“ So muss man sich fragen, wann, wo und wie das Institut Senckenberg zu diesen Erkenntnissen gelangt ist, wenn es nur diese beiden bekannten Fälle gegeben haben soll und angeblich keinerlei weitere Hybridisierung von Wölfen in Deutschland bekannt sei. Wenn solche Fälle u.a.aus dem Nordwesten Polens (Raum Kolberg), wo es zu einer Vermischung von streunenden Hunden und Wölfen gekommen ist, keine Spuren im hiesigen Wolfsbestand hinterlassen haben sollen, kommen Zweifel auf.
Die Aussagen lassen sich auch nicht mit den bisher gewonnenen Erkenntnissen des privaten Genetiklabors ForGen in Hamburg vereinbaren, welches bei einer Vielzahl dort eingegangener Rissbeprobungen von Nutztieren ungewöhnlich hohe Anteile an Hundegenen bei den dort festgestellten Individuen gefunden hat. Teilweise sind beide Labore bei Zweitproben des gleichen Risses zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen gekommen.
Anstatt in dieser Sache zum Wohle aller und auch des Wolfes wenigstens den Versuch zu unternehmen, bei Untersuchungsergebnissen von den beiderseitigen Erkenntnissen zu profitieren, hat man sich von Seiten des Senckenberg-Institutes erst einmal die fehlende Erfahrung und Fachkenntnis des zertifizierten privaten Labors behauptet. So geht der Streit weiter und Klarheit ist offenbar auch von offizieller Seite (noch) nicht gefragt. Die Frage nach einer Offenlegung von Ergebnissen oder unabhängigen Nachuntersuchungen von vorhandenen Proben wurde bisher aus Gelnhausen mit dem Hinweis abgelehnt, das Material und die Ergebnisse seien Eigentum der Auftraggeber, sprich der Bundesländer, aus denen die Proben stammten. Erkenntnisse von öffentlichem Interesse ließen sich mit Sicherheit daraus gewinnen, denn nach Aussage von Frau Reinhardt(LUPUS) ebenfalls vor dem Umweltausschuss sei man stolz darauf, über den kompletten Stammbaum der deutschen Wölfe zu verfügen.
So bleibt der Nebel der Intransparenz zum Thema der Hybridisierung deutscher Wölfe vorerst erhalten. Er taugt hervorragendals Substrat, auf dem Gerüchte und scheinwissenschaftliche Gutachten bestens gedeihen.
Doch woran soll man den Wolf, der hier als Canis lupus leben darf, festmachen? Den „Einhundertprozentwolf“ gibt es in Europa nicht und alle Lebewesen, Mensch wie Tier können in ihrem Erscheinungsbild sehr unterschiedlich ausfallen. Auch gibt es viele weitere Arten, bei denen die Vermischung von Wildtier und domestizierter Form alltäglich ist. Jäger seien an Wildschweine mit Scheckenmuster und fehlfarbene Stockenten auf städtischen Gewässern erinnert.
Doch hier geht es um eine nach den Buchstaben des Gesetzes streng geschützte Art, beider die Vermischung mit ihrer domestizierten Form Hund nicht kalkulierbare Folgen für Biologie und Verhalten der Nachkommen haben kann. Alleine deshalb sind direkte Nachkommen solcher Paarungen unverzüglich zu eliminieren. Das ist eine Kernaufgabe verantwortungsvollen Artenschutzes.
Schwarz und weiß, wie uns genetische Befunde bei der Beurteilung von Nutztierrissen glauben machen wollen, gibt es beim Wolf nicht. Wer dies behauptet, hat die grundlegenden Eigenschaften unterschiedlichen Erbmaterials in Zelle und Zellkern nicht verstanden oder versucht, dies wider besseres Wissen so zu verkaufen. Auch ist zu akzeptieren, dass sich bei eurasischen Wölfen immer Hundegene finden lassen, wenn man mit den richtigen Methoden danach sucht. Nicht zu akzeptieren ist, wenn sich bei einzelnen Exemplaren immer wieder die Merkmale aktueller Hunderassen im Genom nachweisen lassen und diese je nach mütterlicher Herkunft als Hund oder Wolf deklariert werden.
Gefragt sind hier Ehrlichkeit und Offenheit der offiziellen Stellen. Ein weiteres Verschweigen oder Vertuschen der für jedermann erkennbaren Problematik schadet allen Beteiligten und nicht zuletzt dem Wolf und dem Artenschutz insgesamt.