ERSCHRECKEND !
Am 28.08.2017 unterrichtete das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) in Gestalt des Referatsleiters für den Artenschutz, Herrn Ministerialrat Gerhard Adams, in seiner 97. Sitzung den Ausschuss für Umwelt, Energie und Klimaschutz des Niedersächsischen Landtages unter dem Tagesordnungspunkt 1, der insgesamt 5 Anträge aller Fraktionen des Landtages umfasste. Zeit und Gelegenheit also, von einem der obersten Staatsbeamten in Sachen Artenschutz zu erfahren, wie das denn so mit dem Wolf in Deutschland ist.
Damit das, was hier im Folgetext beschrieben wird, auch verifiziert werden kann, HIER ist eine Vorabfassung des Sitzungsprotokolls nachzulesen. Sonst würde man so manche Feststellung oder Behauptung des Vortragenden nicht glauben wollen.
Bereits die einleitende Feststellung, es sei die Aufgabe des Wolfsmanagements, ein „konfliktfreies Management von Wolf und menschlicher Nutzung“ zu gewährleisten, negiert alle Erfahrungen unserer Vorväter, wie unserer Nachbarländer, mit dem Wolf. Wer dies im Jahr 18 des neuen deutschen Wolfes in den Raum stellt, stellt angesichts des aktuellen Geschehens im Lande das Versagen dieses Ansatzes fest.
Was folgt, sind seit Jahren gern wiederholte Dogmen und teils nachweislich falsche Behauptungen, deren Vortrag an der Grenze der Beleidigung der niedersächsischen Abgeordneten liegen. Sie hier alle zu wiederholen oder einzeln zu widerlegen, würde den Rahmen dieses Textes sprengen, daher sei hier die Beschränkung auf besonders eklatante Beispiele erlaubt.Auch die anschließende Aussprache mit Nachfragen an das Niedersächsische Ministerium für Umwelt (NMU) bleibt hier aus gleichem Grund unberücksichtigt:
Aus dem einleitenden Vortrag von Herrn Ministerialrat Adams:
These: Für das konfliktfreie Miteinander mit dem Wolf ist ein flächendeckender Herdenschutz - er ist ohne Alternative - wesentlich.
Antithese: Das kann man als BMUB leicht fordern. Es kostet das Ministerium keinen Cent, die Länder haben teilweise die Kosten und die Tierhalter den Rest sowie die Arbeitsleistung zu erbringen.
These:Gegenwärtig befindet sich der Wolf in einer ungünstigen Erhaltungssituation.
Antithese: Die letzte offizielle Feststellung des Erhaltungszustandes des Wolfes in Deutschland erfolgte im FFH-Bericht von 2013 anhand von Daten des Monitoringberichtes aus 2011/12. Die dort angewandte Methode der strikten Untergliederung des Bestandes anhand politischer Grenzen und biogeografischer Regionen widersprach bereits, wie im Vorbericht, den Empfehlungen der EU-Kommission zur Berichterstattung nach Anhang 17 und den im Auftrag der Kommission erstellten „Leitlinien für Managementpläne auf Populationsniveau für Großraubtiere“.
These: Wolfsverhalten ist schwierig zu bewerten. … Unproblematisch ist u.a., wenn Wölfe im DunkelnSiedlungen durchqueren.
Antithese: Wölfe, welche dieses Verhalten zeigen, haben keine Scheu vor dem Menschen und nutzen selbstverständlich auch jegliche Nahrungsquellen in seiner Nähe, einschließlich Mülltonnen, Komposthaufen und Haustieren auf den Höfen. Wer dies duldet, redet der Gewöhnung des Wolfes an den Menschen das Wort.
These: Man kann Wölfe nicht durch Entnahme einzelner Tiere konditionieren. Man kann Wölfe nicht konditionieren, keine Nutztiere anzufallen.
Antithese: Wenn man Wölfe nicht konditionieren kann, kann man sie auch nicht in einer dicht besiedelten Kulturlandschaft dulden. Jeder Ansatz eines (konfliktfreien) Miteinanders hätte sich damit erledigt.
These: Zum Jagdrecht: Aus unserer fachlichen Sicht wird eine Bejagung nicht helfen, Schäden an Nutztierherden zu reduzieren.
Antithese: Das Reißen von Nutztieren, insbesondere aus geschützter Haltung, ist eine erlernte Eigenschaft und keine ansteckende Krankheit, welche dem genutzten Territorium anhaftet. Umgekehrt wird sich diese erlernte Eigenschaft aber durch abwandernde Jungwölfe, die dieses durch ihre Eltern erlernt haben, in neue Territorien verbreiten.
These: Die Bundesregierung lehnt die Aufnahme des Wolfs ins Bundesjagdgesetz ab.
Antithese: Dieser Beschluss der Bundesregierung ist mit Datum und Abstimmungsergebnis vorzulegen. (Oder handelt es sich hier um die persönliche Auffassung des Vortragenden?)
These: Zum Anhang IV bzw. V der FFH-Richtlinie: … Die Europäische Kommission hat … entschieden, dass die beiden Natura-2000-Richtlinien - FFH- und Vogelschutz-Richtlinie - inklusive der Anhänge unverändert beibehalten werden.
Antithese: Es wird in diesem Zusammenhang konsequent verschwiegen, dass Deutschland den Artikel 16 (1) der FFH-Richtlinie nicht vollständig in deutsches Recht übertragen hat. Die EU-Kommission hält eben diesen Artikel für ein ausreichendes Instrument, jedes im Zusammenhang mit geschützten Arten auftretende Problem gesetzeskonform zu lösen. Frankreich, Schweden und Finnland sind die Beispiele dafür. Es ist anmaßend, wenn Herr Adams den Ländern in diesem Zusammenhang gesetzwidriges Verhalten vorwirft. Für Zustand und Inhalt des Bundesnaturschutzgesetzes zeichnet alleine das BMUB verantwortlich. Beseitigt man diese Mängel in der Gesetzgebung, wird auch ein Wolfsmanagement möglich, welches diesen Namen verdient.
Die nachfolgende Aussprache mit Nachfragen der Abgeordneten brachte dann kaum mehr Klarheit in den Vorstellungen des BMUB oder ihres Vertreters, eher aber abstruse Vorstellungen zutage, wie denn das Zusammenleben von Mensch und Wolf aus dem Blick einer Amtsstube zu regeln sei.
Einige Beispiele:
Auf die Frage nach dem Herdenschutz an Deichen in Niedersachsen verweist Herr Adams auf Untersuchungen in Schleswig-Holstein, die er aber nicht kenne, um gleich für den Alpenraum auf das positive Beispiel der Schweiz und deren Maßnahmen im Herdenschutz hinzuweisen. Ja, dort gibt es klare Regeln, nach wie vielen gerissenen Nutztieren ein Wolf geschossen wird.
Bedenken eines Abgeordneten hinsichtlich der erforderlichen Verdrahtung der Landschaft und ihrer Auswirkung auf die Vernetzung von Naturräumen sieht Herr Adams als nicht wesentliche Veränderung des Landschaftsbildes. Dass anderswo Millionenbeträge genau gegen die zunehmende Zerschneidung der Landschaft investiert werden, hat er nicht wahrgenommen.
Die Frage nach dem günstigen Erhaltungszustand des Wolfes kann Herr Adams auch nach Jahren im Amt noch nicht schlüssig beantworten. Wenn er in der Aussprache zusätzlich zu den Kriterien der FFH-Richtlinie dazu die Leitlinien de LCIE anführt und das aus dem Abschnitt 5.6 des Dokumentes zu entnehmende „Kriterienset“ als Zitat: “…acht einzelne Kriterien, die nach unserer Auffassung weder jetzt erfüllt sind noch in absehbarer Zeit erfüllt sein werden.“, dann hat er dieses Dokument entweder überhaupt nicht gelesen oder nicht verstanden.
Die Antwort auf Nachfragen nach der merkwürdigen Zunahme von wildernden Hunden und ihrem Appetit auf Nutztiere überall dort, wo der Wolf sich ausbreitet, dürfte getrost unter bekannten Dogmen verbucht werden. Interessant ist dabei der Hinweis auf die mögliche Erlegung solcher Hunde durch Jäger. Wenn sich ein Ministerialrat aus dem BMUB in solchen Dingen auf anekdotisches Hörensagen beruft, darf an der Ernsthaftigkeit seines Auftrittes gezweifelt werden. Fakten zum Thema wildernder Hunde waren von ihm ohnehin nicht zu erwarten. In diesem Zusammenhang „dieses“, in den einzelnen Bundesländern durchaus unterschiedliche, Überprüfungssystem als sinnvoll zu erachten, um den Wolf als Rissverursacher festzustellen, zeugt von der Unkenntnis, welchen Vertrauensverlust das Wolfsmanagement nicht nur in Niedersachsen dadurch bereits erlitten hat.
Mit gutem Grund wurde die Frage der möglichen Konditionierung von Wölfen von den Abgeordneten erneut aufgegriffen, was endgültig die Unkenntnis des Befragten in diesem Bereich nachwies, Zitat: „Konditionierung bedeutet, dass ein Wolf lernen muss, dass immer dann etwas passiert, wenn er sich einem Zaun nähert. Wenn ein solcher Wolf aber geschossen wird, laufen die Wölfe zur nächsten Herde, die schlecht geschützt ist, und reißen dort Nutztiere. Mit Maßnahmen einer Vergrämung lassen sich Wölfe mit Sicherheit nicht konditionieren.“ Mit dieser Feststellung von höchster Stelle müssen sich alle Vertreter der Länder und Kreisbehörden fragen, welchen Sinn überhaupt jede Maßnahme des Herdenschutzes - außer dem direkten Abschuss von Wölfen - an jeglicher Weidetierhaltung machen soll. Und es geht weiter, denn wenn es um das Verhalten gegenüber Menschen geht, sollte man es doch einmal mit der Vergrämung versuchen.
Dies sind nur einige charakteristische Beispiele aus der Fragerunde des Ausschusses ohne die Absicht der Vollständigkeit. Wem der Sinn nach weiteren Anekdoten und Unsäglichkeiten steht, der möge im Vorabzug des Protokolls nachlesen.
Es bleibt die bittere Erkenntnis, dass der Wolf und der Umgang mit ihm in diesem Ministerium und insbesondere in einem ebenso unkundig, wie dogmatisch besetzten Referat nicht gut aufgehoben ist. Es sei in der Wolle gefärbten Artenschützern jederzeit zugestanden, dass sie den Erhalt wirklich gefährdeter Arten mit Zähnen und Klauen verteidigen. Sie leisten damit einen ebenso großen Beitrag zur Biodiversität wie engagierte Herdbuchzüchter, die alte und seltene Haustierrassen erhalten. Letztere werden in der Diskussion gerne vergessen und bei ihnen steht der Wolf möglicherweise nicht nur vor dem Zaun. Was eben solche Artenschützer nur schwer begreifen und womit sie deshalb nicht umgehen können, sind in unserer Kulturlandschaft erfolgreiche Arten, die bestens geeignet sind, ein über Generationen entstandenes - zugegeben künstliches - Gleichgewicht zu kippen. Der Wolf ist nur ein Beispiel dafür, aber er kann, um das Zitat eines hohen Naturschutzfunktionärs zu benutzen, zum Lackmustest für den Artenschutz werden.
Das heute mit dieser Aufgabe betraute Bundesministerium wird diesen Test in dieser Besetzung nicht bestehen.
Das Dokument zum Ausdruck und zur Weitergabe gibt es HIER