ES WAR KEIN GUTES JAHR – weder für die Weidetiere noch für den Wolf

Nach einem jahrelangen steilen Anstieg der Verluste an Weidetieren durch den Wolf keimte vor Jahresfrist etwas Hoffnung auf. Für 2021 wurden erstmals in der offiziellen Statistik weniger gerissene Tiere gemeldet als im Vorjahr, auch wenn die Zahl der Rissereignisse weiter zugenommen hatte.

Die Freude währte nur kurz. Schon nach dem ersten Halbjahr 22 wurde absehbar, dass sich der langjährige Trend fortsetzen und in Teilen noch verstärken würde. Bei Rissen wie auch der Anzahl betroffener Tiere wurden die Rekordzahlen der Vorjahre deutlich übertroffen.

Der Anstieg auf 1203 Risse (+10,7 %) und 4421 Tiere (+24,8%) verdeutlicht erneut, dass Deutschland mit seinem „Wolfsmanagement“ und dem Herdenschutz schlicht auf dem Holzweg ist. Das wird umso deutlicher, wenn man sich die Zahlen genauer ansieht, wo anhand verfügbarer Angaben zum Herdenschutz ein Bezug hergestellt werden kann. Dies gilt bei Schafen und Ziegen für Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen. Hier die Entwicklung der letzten drei Jahre:

Alle drei Bundesländer sollten inzwischen über ausreichende Erfahrung mit dem sich auf hohem Niveau weiter verdichtenden Wolfsbestand verfügen und den dafür erreichbaren Teil der Weidetierhalter auch zu ausreichenden Herdenschutzmaßnahmen motiviert haben. Für Niedersachsen lassen sich auch rückwirkend die Zahlen für den Zeitraum von 2015 bis 2022 ermitteln. Von den in dieser Zeit bei 1210 Rissen betroffenen 5368 Schafen und Ziegen waren 2322 lt. Rissliste geschützt. Das sind 43,3 %; in 2022 waren es 65,3 %!

Wenn sich jetzt die Anteile der Risse immer weiter in Richtung der korrekt geschützten Haltungen verschieben, dann ist es Zeit, über Sinn und Unsinn des derzeit in Deutschland rein passiven Herdenschutzes nachzudenken. Der Wolf hat seine Lektion lange gelernt. Er weiß schon lange, dass Zäune bestenfalls eine Aufgabe, aber niemals eine Gefahr für ihn darstellen. Körperlich ist er ohnehin in der Lage, sämtliche hierzulande angebotenen Schutzzäune zu überwinden.

Doch was bleibt?

Der Versuch, auf dem Gesetzesweg mit dem § 45 a des Bundesnaturschutzgesetzes Vereinfachungen bei der „Entnahme“ von schadensverursachenden, fälschlich häufig als „Problemwölfe“ bezeichneten, Tieren zu erleichtern, hat ob des gesetzgeberischen Dilettantismus kaum einen Wolf das Leben gekostet, dafür aber Verwaltungsgerichten Beschäftigung und Anwälten Erträge verschafft. Böse Zungen einschließlich der wolfszone.de gehen davon aus, dass hier eine klare Absicht erkennbar war.

Die Empfehlung, doch bitte den Blick über die Grenzen zu werfen und sich an Beispielen wie Frankreich zu orientieren, wo man dem Wolfsbestand zu Gunsten der Weidetierhaltung schon seit mehreren Jahren ein gebremstes Wachstum verordnet und für eine günstigen Erhaltungszustand klare Schwellenwerte festgelegt hat, wird regelmäßig reflexartig zurückgewiesen. Schweden und Finnland erwähnt man besser nicht. Auch dort mache man selbstverständlich alles falsch, wenn es um Wolf und Artenschutz gehe.

Die Behauptungen von BMU und BfN, dass man ausschließlich in Deutschland mit dem strengen Schutz des Wolfes richtig umgehe. Allein das klärt wohl, warum Isegrim angesichts hierzulande rekordverdächtiger Bestandsdichten kaum Aussicht hat, je den günstigen Erhaltungszustand zu erreichen. Egal, wie er sich vermehrt, man wird immer noch ein Fleckchen finden, wo er sich noch nicht etabliert hat.

Was bedeutet das für die gesellschaftlich gewollte, weil tiergerechte und ökologisch ebenso sinnvolle wie wertvolle Weidetierhaltung im Offenland? Ohne die Abkehr von einer rational nicht mehr nachvollziehbaren Priorisierung des Wolfes im Artenschutz wird die Erhaltung dieser nur durch extensive Beweidung erhaltbaren Lebensräume sehr bald unmöglich sein. Die von Wolfsfreunden propagierte Käfighaltung der Weidetiere in einem nicht mehr „Offenland“ kann ihren essentiellen Beitrag für die dort vorkommenden, oft weit mehr als das „Wunschkind“ Wolf gefährdeten Arten, nicht mehr leisten.

Diese Umkehr muss bald erfolgen, sonst werden sie neben einer erheblichen Zahl von bisher standfesten Weidetierhaltern eine große Zahl wenig prominenter aber sehr gefährdeter Arten des Offenlandes nicht mehr erleben.

Nicht der Mensch muss lernen, mit dem Wolf zu leben.

Der Wolf muss lernen, mit uns Menschen zu leben.

Dafür sind wir Menschen verantwortlich!

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