Die Wolfsverwaltung in den Bundesländern

Hier darf jeder machen was er will – im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung. So lautete der Refrain in Franz-Josef Degenhardts Lied „Der Kriegsdienstverweigerer“ von 1972.

 

Dieser Eindruck lässt sich bei genauer Betrachtung des Umgangs des Bundes und der Länder mit dem Wolf und der Vielfalt der öffentlichen Auftritte dazu im Internet nicht verhehlen.

 

Die föderalen Gestaltungsmöglichkeiten der Länder im Rahmen von Bundesnaturschutz- und Bundesjagdgesetz sind einerseits Paradebeispiele dafür, was Föderalismus leisten kann und soll, wenn es denn um Dinge geht, die in Deutschlands vielfältiger Natur zwischen Wattenmeer und Alpenrand gesetzlich zu regeln sind. Praktisch ausgedrückt: Bremen braucht keine Jagd- und Schonzeiten für die Gams. In Bayern wäre die ausgesetzte Jagdzeit des Seehundes von vergleichbarer Relevanz. Andererseits haben wir es seit der Jahrtausendwende inzwischen deutschlandweit mit einem Mitspieler zu tun, der hier die Vorzeichen radikal verändert hat.

Der Wolf, dessen Biologie hierzulande zwar in Vergessenheit geraten war, aber deshalb keinesfalls neu zu erfinden ist, ist da ein anderes Kaliber. Als hochmobiler Spitzenprädator und Habitatgeneralist bewegt er sich ungeniert durch unsere föderalen Verwaltungseinheiten und seine Präferenzen lassen sich leicht reduzieren: 

Rudelpartner + Territorium + Beute = Vermehrung, ungebremst mit ± 30 % p.a. weltweit, wo immer es Lebensraum, Beute und der Mensch zulassen.

Wie erfolgreich dieses Lebensmodell ist, blieb in der Öffentlichkeit in den Wendejahren in Mittel/Osteuropa weitgehend verborgen. Die Entwicklung der letzten 20 Jahre in und um Deutschland ist bekannt.

Bis auf die Stadtstaaten und das Saarland werden oder wurden in allen Bundesländern territoriale Wölfe nachgewiesen. Kürzlich wurde das erste Wolfsrudel innerhalb des Berliner Autobahnrings gemeldet. Der tatsächliche Status des Wolfsbestandes wird regelmäßig erst mit erheblicher Verzögerung offiziell durch das BfN veröffentlicht, um dann für ein weiteres Jahr als aktuell verkauft zu werden.

Woran liegt das?

Da der Naturschutz in Deutschland föderal über die Landesnaturschutzgesetze geregelt ist, übersteigt die Vielfalt der gesetzlichen Bestimmungen der Länder deutlich die Vielfalt der zu schützenden Arten. Das gilt in besonderem Maße für den Umgang mit dem Wolf. Der wiederum ist aufgrund seiner hohen Anpassungsfähigkeit und Mobilität schlicht nicht föderalismustauglich.

Es war lange überfällig, als das Bundesumweltministerium 2016 mit der DBBW die „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf“ ins Leben rief, die nach eigenem Bekunden, seitdem weder für betroffene noch für anderweitig am Thema interessierte Bürger zuständig oder erreichbar ist. Dazu wird bis heute auf das Bundesamt für Naturschutz (BfN) verwiesen. Der Internetauftritt zeigt noch nicht einmal die Möglichkeit zur direkten Kontaktaufnahme, dafür aber diese Zeilen:

„Im Rahmen der DBBW sind keine Projektmittel für eine weitere Beratung der Öffentlichkeit, die über die Informationen dieser Seite hinausgehen, vorgesehen. Daher können Anfragen bezüglich des Inhalts der Seite der DBBW weder telefonisch noch per E-Mail beantwortet werden. Wir bitten um Ihr Verständnis.“

Dieses eingeforderte Verständnis für die selbstgewählte Abschottung einer Dienststelle des Bundes, die nach vorliegenden Quellen lt. Etatplan des BMU alljährlich mit 300 T€ alimentiert wird, schlicht nicht nachvollziehbar.

Hinzu kommt, dass die DBBW bei genauer Betrachtung ihres Internetauftrittes nicht mehr leistet, als die mit unterschiedlicher Verzögerung von den Ländern freiwillig übermittelten Daten zum Wohlergehen des Wolfes in DE kritiklos zu übernehmen und im eigenen Format ins Netz zu stellen. Für das, was dieser Dienst den Steuerzahler kostet, ist das nach 5 Jahren arg wenig.

Dazu ein Blick darauf, wer sich hinter der „DBBW“ unter Leitung des Senckenberg Museums in Görlitz verbirgt:

  • Das Senckenberg Institut (Gelnhausen) befasst sich mit der Genetik der Wölfe
  • Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung betreibt Grundlagenforschung und untersucht sämtliche Totfunde pathologisch.
  • Die Firma „LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und -forschung in Deutschland“ behauptet für sich die Deutungshoheit über den Wolf seit seiner Rückkehr in unser Land.

Sicher könnte man sagen, dass es nicht der Auftrag einer Stelle im Auftrag des Bundes sei, den Ländern in ihr Geschäft mit dem Wolf hineinzureden, schließlich regiere im Naturschutz der Föderalismus. Aber spätestens dort, wo die Daten zusammenfließen, anhand derer Deutschland nachzuweisen hätte, dass es nach 20 Jahren für den Wolf ein valides Monitoring nach den Regeln der FFH-RL vorweisen kann, sollten diese Daten auch zeitlich abgestimmt ankommen und zeitnah öffentlich ablesbar sein.

Daran besteht in einigen Bundesländern offenbar kein Interesse. Auch sind konkurrenzbedingte Reibereien seit Jahren bekannt und in den Ergebnissen ablesbar. Weder die DBBW selbst, noch das für sie verantwortliche BfN stören sich daran. Der Erfolg ist dann an den alljährlich im Spätherbst veröffentlichten Zahlen zu einem vermeintlich aktuellen Bestand der Art abzulesen, der annäherungsweise dem Sommerbestand des Vorjahres entspricht und regelmäßig anschließend nach oben zu korrigieren ist. 

Wenn per 22.10. 2021 von der DBBW für das Monitoringjahr 2019/20 (bis 30.04.2020)

128 Rudel, 38 Paare und 9 Einzeltiere – 175 besetzte Territorien bestätigt werden,

von denen für

2020/21 (bis 30.04. 21) erst 113 Rudel, 1 Paar und 9 Einzeltiere – 123 besetzte Territorien

bestätigt sein sollen, wird dem unbeteiligten Betrachter deutlich, hier etwas nicht stimmen kann. Entsprechende Kritik wird alljährlich laut, wenn das BfN diese Zahlen als aktuell zu verkaufen versucht. Dort perlt das ab!

Dass wir es im Herbst 2021 in der Natur mit dem nächsten Wolfsjahrgang zu tun haben, der seit 2019 um 2 x 30 % auf rechnerisch knapp 300 besetzte Territorien angewachsen sein dürfte, wird man uns frühestens in 2 Jahren zu erklären versuchen.

Will man verstehen, was da wo nicht funktioniert, empfiehlt es sich, die Veröffentlichungen der einzelnen Bundesländer zum Wolfsbestand im Netz miteinander zu vergleichen. Sicher spielen dabei der Zeitpunkt des ersten Wolfsvorkommens und die aktuelle Bestandsgröße eine wesentliche Rolle. Es ist daher zwischen den „älteren“ Wolfsländern mit heute bereits hoher Wolfsdichte, Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen und den übrigen „neueren“ Wolfsländern zu unterscheiden. Jeder Vergleich kann sich dabei immer nur auf die Darstellung im Netz beziehen und nicht auf die Qualität eines Monitorings vor Ort.

Aus der ersten Gruppe ragt, was Qualität und Aktualität der angebotenen Informationen angeht, Niedersachsen mit dem von der Landesjägerschaft betriebenen Internetauftritt in allen Belangen deutlich heraus. Sachsen folgt mit deutlichem Abstand mit zwar qualitativ guten, aber selten aktuellen Informationen zu seinen Wolfsterritorien. Die drei weiteren Länder dieser Gruppe, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und vor allem Brandenburg erwecken nicht den Eindruck, als wolle man die interessierte Öffentlichkeit über das „Staatsgeheimnis Wolf“ auf dem Laufenden halten. Seltene Monitoringberichte mit großer Verzögerung oder mal eine Übersichtskarte als Pflichtübung darf man schlicht als „ungenügend“ bezeichnen.

Was machen die „kleinen“ und „neuen“ Wolfsländer? Sie haben eines gemeinsam: Ein jeder erfand, ungeachtet der Vorarbeit in anderen Bundesländern, den Wolf für sich neu. In der Begeisterung der Verantwortlichen über das erste Auftreten Isegrims im eigenen Land begonnene Nachweislisten können in ihrer Detailfreude nicht überleben. Der in kurzer Zeit fünfte Kotfund eines genetisch nachgewiesenen und dort als territorial bestätigten Individuums hat schlicht keinen Informationswert, weder für das Monitoring noch für den Bürger. 

Eine Sonderstellung nimmt hier Bayern ein, wo das zuständige Landesamt für Umwelt die chaotischste Darstellung des Wolfsgeschehens aller Bundesländer anbietet.

Genug der Artenvielfalt. Wer intensiver in das Thema einsteigen möchte, findet hier die Links zu diesen Seiten der Bundesländer.

Es bleibt die Frage, welche Ziele das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz mit der Einrichtung einer Stelle, die einerseits für sich die Deutungshoheit über den Wolf in Deutschland in Anspruch nimmt, aber es in fünf Jahren nicht geschafft hat, den Datenfluss aus den Ländern und damit die Information der betroffenen Bürger zu verbessern, tatsächlich verfolgt? Könnte es sein, dass dies den Beteiligten schlicht egal ist, solange die persönlichen Interessen gewahrt und das eigene Auskommen auf Kosten des Steuerzahlers gesichert ist?

Dazu darf sich der geneigte Leser gerne seine Meinung bilden!

Der Umgang des Bundes und der Länder mit dem Herdenschutz und Nutztierrissen lässt sich angesichts ständiger Veränderungen nicht dauerhaft im Text darstellen. Entsprechende Informationen wären nicht nur aufwändig, sie hätten auch ein unberechenbares Verfallsdatum.



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