DAS NARRATIV VON DEN ZÄUNEN
Zäunen, zäunen, zäunen – so titelte vor kurzem eine große überregionale Zeitung für ihre wohl eher städtisch geprägte Leserschaft, Ja, da zieht man als besorgter Tierhalter ein paar Zäune und schon kann man nachts wieder ruhig schlafen. Dem dazu zitierten Schäfer mit seinen 30 Mutterschafen im derzeit offiziell wolfsfreien Landkreis Rosenheim mag es noch eine Weile so gehen. Die Koppeln für seine kleine Herde schulmäßig auszustatten, dürfte einen überschaubaren Aufwand erfordert haben. Festzäune mit eingewachsenem Untergrabschutz mögen auf eigenem Land eine Lösung sein. Auf einer zeitlich begrenzt genutzten oder gepachteten Fläche, womöglich unter Vertragsnaturschutz, wohl kaum. Ob das Ergebnis wolfssicher ist, darüber wird irgendwann der knurrende Magen eines Wolfes entscheiden.
Wer Zäune von 105 oder gar nur 90 cm als „wolfssicher“ bezeichnet, hat offenbar noch nicht wahrgenommen, was in anderen Teilen Deutschlands geschieht und wie oft solche Zäune von Wölfen locker übersprungen werden. Spätestens seit der Wölfin „Goldie“ im Rudel Barnstorf in Niedersachsen 2016 ist das bekannt und kein Einzelfall. Ein springender Wolf ist nicht geerdet und so wird er auch 8000 Volt nicht spüren. Goldie wurde im Laufe ihrer „Karriere“ an 60 Rissen mit 160 betroffenen Tieren offiziell nachgewiesen.
„Wolfssichere“ Zäune gibt es in Zoos und Gehegen. Was in der Weidewirtschaft bezahlbar und praktikabel ist, wird objektiv betrachtet bestenfalls das Prädikat „zeitweise wolfsabweisend“ verdienen. Zeitweise bedeutet genau so lange, bis der Wolf es verstanden hat.
Dr. Laurent Garde, ein Wissenschaftler der CERPAM aus Frankreich hat dazu schon vor Jahren in einem Interview den treffenden Vergleich mit einer Laborratte benutzt, die in einem Labyrinth das Stück Käse auch dann sicher findet, wenn wir dieses Labyrinth vergrößern oder verändern. Der LINK ist noch verfügbar.
Die Ratte ist lernfähig. Genau das sollten wir auch dem Wolf nicht absprechen.
Dabei muss Herdenschutz eine Abwägung bleiben zwischen dem, was an Sicherheit erreicht werden kann dem, was der Tierhalter unter den lokalen Gegebenheiten realisieren kann und dem, was auf extensiv beweideten Flächen, die häufig unter Vertragsnaturschutz bewirtschaftet werden, ökologisch vertretbar ist.
Welchen ökologischen Wert hat so eine Fläche, wenn die Kleinfauna, die von ihr profitieren soll, an einem Zaun mit 8000 Volt gegrillt wird, oder ein Wiesental, wenn seine Hochsicherheitszäunung Lebensräume auf Kilometer zerschneidet?
Zäunen überall? Doch was ist bitte mit
- den Almen, auf denen Schafe und Ziegen die Verbuschung verhindern und damit nicht nur das Landschaftsbild, sondern auch den Lebensraum für eine große Zahl geschützter Arten erhalten, ohne deren kauende Dienstleistung ihre Zukunft besiegelt wäre?
- einigen Tausend Kilometern Deichen in Norddeutschland, die wasserseitig nicht gezäunt werden dürfen oder können, deren Grasnarbe aber auf die natürliche Beweidung angewiesen ist, um ihre Festigkeit zu behalten.
- der Vielzahl von Heide-, Trockenrasen- und ähnlichen Flächen, die nur im freien Gehüt beweidet werden können und keine andere Pflege als die des kauenden Mähwerks vertragen
Zäune haben ungeachtet des eingangs beschriebenen Beispiels und andauernder Initiativen interessierte Verbände und Politiker, das Land weiter auf Kosten des Steuerzahlers zu vergittern, bereits heute die Grenze ihrer Wirksamkeit im Herdenschutz erreicht.
Aus den Daten zu Weidetierrissen der Länder Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen der letzten Jahre ergeben sich Zahlen, die den Lernprozess der Wölfe in Bezug auf den Herdenschutz deutlich dokumentieren.
In allen drei Bundesländern stieg der Anteil der lt. den offiziellen Risslisten unter bestehendem Mindestschutz gerissenen Schafe und Ziegen von 2020 – 2022 um 12 – 16 % an. Die die höchste Steigerung gab es in Niedersachsen mit 16 %. Den höchsten Anteil lieferte 2022 Sachsen mit 74 %.
Braucht der Wolf ungeschützte Weidetiere, um deren Wert als Beute zu erkennen? NEIN, sie sind eingesperrt hinter einem Zaun eine viel bequemere Nahrungsquelle als ein flinkes Reh oder gar eine Sau, die sich auch noch wehrt! Vielmehr verknüpft er inzwischen mit der Vielzahl von Zäunen das Vorhandensein bequemer Beute. Körperlich stellen die praktikablen Zaunhöhen für den Wolf so wenig ein Hindernis dar, wie offenbar noch so hohe Stromspannungen für dauerhafte Abschreckung sorgen.
Glaubt man den Risslisten aus den Bundesländern, wo sie mit angemessener Sorgfalt geführt und veröffentlicht werden, verursacht ein bedeutender Anteil der Wolfsrudel in Deutschland keine wesentlichen Schäden. Die sollen bitte in Frieden leben.
Dort aber, wo sich Schäden, bei denen der in der Region vorgeschriebene Mindestschutz überwunden wird, in kurzer Zeit wiederholen, ist zeitnah und konsequent einzugreifen. Das kann auch bedeuten, dass ein komplettes Rudel entnommen werden muss! Dazu braucht es sachlich auch keinen genetischen Nachweis, wenn die Entnahme zeitlich und räumlich eng auf die betroffenen Weidetierbestände bzw. das Territorium begrenzt werden.
Jegliches Verlangen nach Eskalationsstufen im Herdenschutz vor einer Entnahme sind da nicht zielführend, siehe der Hinweis zu Dr. Garde weiter oben. Sie führen nur zu weiteren Lernerfolgen bei den zu Schaden gehenden Wölfen.
Es bellt der Pawlowsche Hund des günstigen Erhaltungszustandes!
Bleibt es bei den Dogmen wesensfester Ideologen des Artenschutzes, wird man dem Wolf den günstigen Erhaltungszustand auch dann noch nicht zubilligen, wenn er die Parkanlagen unserer Metropolen besiedelt hat. Solange man sich weiter an mathematische Operatoren klammert, um alle sechs Jahre wieder eine Kondolenzadresse zum traurigen Zustand des Wolfes in Deutschland nach Brüssel zu melden, wird sich daran mangels Realitätsbezug der jeweiligen Ressortchefinnen im BMU nichts ändern.
Nur sollte bitte klar sein: ZÄUNEN, ZÄUNEN, ZÄUNEN wird weder die Schäden an Weidetieren verringern, noch die längst verblichene Akzeptanz des Wolfes dort wiederbeleben, wo die Landbevölkerung mit ihm auszukommen hat.
Die Verantwortlichen für diesen Missstand tragen aber nicht nur dafür die Verantwortung, sondern auch für den Verlust streng geschützter Offenlandarten, die auf die extensive Beweidung ihrer Lebensräume angewiesen sind.
Rein passiver Herdenschutz wird weder der Weidetierhaltung noch dem Wolf helfen.
Manche Narrative haben etwas Närrisches.