GRÜNE NEBELKERZEN - oder ein echter Sinneswandel?

Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung finden sich zum Wolf diese Zeilen:

„Unser Ziel ist es, das Zusammenleben von Weidetieren, Mensch und Wolf so gut zu gestalten, dass trotz noch steigender Wolfspopulation möglichst wenige Konflikte auftreten. Wir werden mit allen in diesen Fragen befassten Organisationen und Verbänden einen institutionalisierten Dialog „Weidetierhaltung und Wolf“ einrichten. Wir werden durch eine Überarbeitung der Monitoringstandards die Anzahl der in Deutschland lebenden Wölfe realitätsgetreu abbilden und wollen den Ländern europarechtskonform in regional differenziertes Bestandsmanagement ermöglichen.“

Das liest sich gut und sollte die Hoffnung wecken, dass man die mit dem ungebremst wachsenden Wolfsbestand landesweit ausufernden Risse an Weidetieren mit konkreten Maßnahmen in den Griff bekommen wolle.

Wie das bei „Halbzeit“ dieser Bundesregierung vonstattengehen soll, lässt sich gut aus diesen Zitaten ablesen:

Umweltministerin Steffi Lemke anlässlich der UMK am 12.05.23 in Königswinter (dpa/SZ):

„"Wenn wir von Ländern mit einem anderen Wohlstandsniveau als Deutschland erwarten, dass sie Elefanten, dass sie Tiger, dass sie andere Raubtiere, die dort relevante Schäden verursachen, schützen sollen", solle man auch der eigenen Schutzverantwortung für dieses eine Raubtier nachkommen, sagte sie am Freitag zum Abschluss der Umweltministerkonferenz (UMK) der Länder in Königswinter bei Bonn.

Plagiiert von ihrer Vorvorgängerin Barbara Hendricks anno 2017 – Wo ist eigentlich Afrika?

Es folgte der Linie eines an den EU-Umweltkommissar gerichteten Schreibens, welches als Reaktion auf eine Initiative des EU-Parlaments von 12 europäischen Umweltministern zur Herabsetzung des Schutzstatus des Wolfes veröffentlicht wurde. Die Relevanz dieses von der Bundesministerin mitunterzeichneten Dokuments belegt sich u.a. dadurch, dass der Wolf im eigentlichen Absenderland Slowakei im Anhang V steht und die Initiative dort überhaupt nicht relevant ist. Gleiches gilt für Zypern und Irland, wo kaum mit einer natürlichen Zuwanderung von Wölfen zu rechnen ist. Auch die Relevanz weiterer Mitunterzeichner für Wohl und Wehe des europäischen Wolfsbestandes wäre durchaus zu hinterfragen.

Angesichts einer Häufung spektakulärer Rissereignisse auch außerhalb bisher öffentlich wahrgenommener Wolfsgebiete gab es bei der Ministerin einen plötzlichen Meinungsumschwung und sie wurde am 01.07.23 durch das ZDF wie folgt zitiert:“ "Abschüsse von Wölfen, die das Überwinden von höheren Zäunen gelernt haben oder sich Menschen gegenüber zu sehr nähern, sind möglich und können rechtskonform von den Ländern durchgeführt werden", sagte die Grünen-Politikerin der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Soweit die Bundesumweltministerin.

Nun ist der Ton deutlich schärfer geworden. Nach einem spektakulären Riss im Kreis Stade mit über 80 betroffenen Schafen bekommt Frau Ministerin nicht nur in der Tagespresse, sondern auch von Ressortchefs der Länder teilweise aus der eigenen Partei deutlichen Gegenwind. Auch in grünen Amtsstuben beginnt es zu dämmern, dass die Zeiten des bedingungslosen Wolfsschutzes in Deutschland enden müssen.

Weidetierhaltung, möglichst noch in Landschafts- oder Naturschutzflächen, die sich optisch und technisch zwischen Hochsicherheitstrakt und Friedensgrenze West bewegt, ist bestenfalls ein kurieren an Symptomen, was das Beuteverhalten von Wölfen angeht. Vor allem aber sabotiert es andere, mindestens ebenso wichtige Naturschutzziele, wenn es um die Vernetzung von Lebensräumen geht. Wenn es der Wolf auf eine Weidetierart als Beute abgesehen hat, helfen auch Zäune von 1,80m nicht nachhaltig, solange sie für den Wolf nicht mit weiteren, auch letalen Risiken verbunden sind. Beispiele in nicht geringer Zahl lassen sich aus den dokumentierten Weidetierrissen der letzten Jahre entnehmen.

Nun hat man aus dem BMU avisiert, zum Ende des Monats einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem Entnahmen von Wölfen „deutlich pragmatischer“ ermöglicht werden sollen. Das sind nur wenige Wochen und angesichts der monatelangen Geburtswehen des so berühmten wie handwerklich schlechten § 45 a des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), vulgo: Lex Wolf darf man gespannt sein, was da auf die Öffentlichkeit und insbesondere die Weidetierhalter zukommt. Sollte dieses „neue Gesetz“ aus der gleichen Quelle stammen, wie die „Lex Wolf“, hat zumindest die Spezies, der sie von ihren Jüngern auf den Leib geschrieben wurde, davon wenig zu befürchten.

Seit Inkrafttreten des § 45a BNatSchG am 12.03.20 bis zum 30.06.23 wurden bei 2.879 offiziell nachgewiesenen Wolfsrissen mit 11.368 betroffenen Tieren bundesweit 8 Wölfe aus Gründen des Herdenschutzes „entnommen“ (6 x Niedersachsen, 2 x Brandenburg).

Isegrim hält dieses Risiko für überschaubar. Nachdem in der gleichen Zeit 358 Wölfe dem Straßenverkehr zum Opfer fielen, wurden in der Welpenausbildung die Stundenzahlen im Fach „Feindvermeidung Mensch“ zu Gunsten des Verkehrsunterrichts „Queren von Straßen“ ersatzlos gestrichen. Das Thema „Überwinden von Zäunen“ wurde offenbar erfolgreich in den Fächerkanon aufgenommen, wenn man sich die große Zahl betroffener Tiere unter vorgesehenem Herdenschutz ansieht, soweit diese Daten verfügbar sind (hier ausgewertet).

Ob es bei dem avisierten Gesetzesentwurf tatsächlich zu einer „pragmatischen Lösung“  kommt, ist mit Spannung zu erwarten. Die Vorarbeiten, um auch den nächsten Schritt zu einem realistischen Umgang mit dem Großprädatoren Wolf in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft zu verhindern, wurden seit Übernahme der FFH-Richtlinie in das Bundesnaturschutzgesetz (2007) kontinuierlich fortgesetzt.

Wo die Steine dabei liegen, hat bereits ein Gutachten des bekannten Staatsrechtlers Prof. Brenner zu wesentlichen Teilen aufgezeigt.

Mit einem weiteren schnell gestrickten Gesetz wird es diesmal nicht getan sein.

Die Umsetzung  der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) von 1992 in das BNatSchG, erst im Jahr 2007 nach einem Urteil des EuGH in einem Vertragsverletzungsverfahren vom Bundestag verabschiedet, erfolgte in einigen Punkten so freizügig, dass der pragmatischer Umgang mit dem Wolf, wie jetzt in Bund und Ländern gefordert, nachhaltig verhindert wird.

Das verpflichtet die aktuelle Bundesumweltministerin in besonderem Maße, eben diese Steine aus dem Weg zu räumen und die Regelungen zu den Ausnahmen vom strengen Schutz der Arten im BNatSchG streng nach dem Wortlaut des Art 16 (1) der FFH-RL neu zu fassen.

Angesichts einer Vielzahl von sehr freizügigen Interpretationen dieser Regeln, die inzwischen in BMU, BfN und den zuständigen Länderbehörden kursieren und regelmäßig als Dogmen wiederholt werden, wird diese Aufgabe, so sie wirklich ernsthaft angegangen wird, nicht ohne Widerstände zu lösen sein.

Eine Beschreibung dessen, was auf dem Weg zu einer „pragmatischen Lösung“ zu tun sein wird, findet sich in diesem Beitrag (LINK).

Was zählt, ist der Erfolg. Eine weitere Alibilösung wie den streichungswürdigen § 45 a des BNatschG darf es nicht geben!

NACHSATZ AUS BRÜSSEL:

Dieser Auffassung der Kommissionspräsidentin ist nichts hinzuzufügen. Die gesamte Pressemeldung lesen Sie hier (LINK)

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