EIN SCHNELLSCHUSS – VOLL DANEBEN !
Die Umweltministerin erfindet die Wolfsentnahme neu
Angesichts des auch in ihrem Ministerium nicht mehr zu verleugnenden Rissgeschehens auf Deutschlands Weiden kündigte die Umweltministerin kurzfristige Gesetzesvorschläge an, wie man das Problem in den Griff bekommen wolle. Bereits im ersten Halbjahr 2023 waren bei 587 Weidetierrissen mit dem Verursacher Wolf knapp 2.300 Tiere betroffen. Es wird ein neues blutiges Rekordjahr geben.
Nun hat Frau Ministerin geliefert. Auf ihrer Pressekonferenz zum Umgang mit dem Wolf präsentierte sie der offenbar irritierten Journalistenschar einen Lösungsvorschlag, der angesichts bekannter Rechtslage auf deutscher wie europäischer Ebene nur als abenteuerlich bezeichnet werden muss.
Im groben Rahmen: Wölfe sollen nunmehr in von den Ländern zu definierenden Gebieten bereits nach einem Rissereignis für 21 Tage in einem Umkreis von 1.000 m geschossen werden dürfen. Als Handreichung des BMU sollen die Länder dazu eine Musterverfügung erhalten, damit sie kurzfristig und einheitlich handeln können. Die Identifizierung von Individuen per DNA-Analyse ist dann nicht mehr Voraussetzung für die Entnahmeanordnung und soll entfallen.
Soweit hört sich das einfach und gut an und der Ansatz der zeitlichen und räumlichen Nähe eines solchen Abschusses zum Rissgeschehen verspricht durchaus Erfolg und ist auch wissenschaftlich belegt.
Doch wie sagte die Ministerin in ihren einleitenden Worten: „Die leichten Lösungen entpuppen sich bei näherer Betrachtung meist als nicht rechtskonform.“
Diese einfache Erkenntnis hätte sie, bzw. diejenigen, die sie mit dieser Idee in die Pressekonferenz geschickt haben, besser beherzigen sollen.
Fragen aus dem Auditorium nach Einzelheiten zur Durchführung und zu den Rechtsgrundlagen führten zu durchaus spannenden Erkenntnissen, insbesondere, was das Verhältnis zum geltenden Recht im BMU angeht. Der richtigen Erkenntnis, dass der eigens dafür geschaffene § 45a BNatSchG vulgo „Lex Wolf“ viel zu kompliziert und schlicht dysfunktional ist, folgt nicht etwa der Schluss, dass dieser schnellstmöglich zu ändern, besser noch zu streichen ist. Nein, das Problem wird schlicht und ohne Rechtssicherheit im Handeln an die Bundesländer delegiert. Ein Beschluss der Umweltministerkonferenz (UMK) im November soll dafür genügen und die neben der Lex Wolf relevanten gesetzlichen Bestimmungen auch auf europäischer Ebene lösen sich in Luft auf. Ein Wohlwollen ohne konkreten Absender aus Brüssel wird dazu in der PK zitiert.
Sollte das so durchgehen, werden sich die Anwälte der einschlägigen Wolfsschutzverbände und die zuständigen Verwaltungsrichter dazu ab Januar Termine freihalten, um den Hagel der zu erwartenden Einsprüche abzuarbeiten. Ob Brüssel dazu angesichts eines noch laufenden Pilotverfahrens zum § 45a schweigen wird, darf bezweifelt werden.
In jedem Fall waren der Presse aus dem Kreis dieser Verbände wohlwollende Stellungnahmen zu entnehmen, was darauf hindeutet, dass diese die Qualität des Vorschlages der Ministerin als willkommenes Streitobjekt schnell erkannt haben.
Soweit zum Vorschlag aus dem BMU, die traurigen Konsequenzen aus einem inzwischen mehr als gesicherten Wolfsbestand in deutscher Kulturlandschaft, wir sind weder Yellowstone noch Serengeti, per delegierter Länderverordnung zu regeln.
Nicht anfassen mag die Ministerin das Heiligtum des günstigen Erhaltungszustandes. Den Äußerungen war deutlich zu entnehmen, dass nach ihrem Willen auch der kommende Bericht nach Art. 17 der FFH-Richtlinie Isegrim in Deutschland kein positives Attest erteilen wird. Auch das Freihalten von Regionen, in denen objektiv kein wirksamer Herdenschutz praktiziert werden kann, Küsten, Deiche, Almregion, geht gar nicht. Der Abschuss von Wölfen dort wäre ja das Töten von Tieren ohne vernünftigen Grund.
Dass der Wolf diese Regionen weder für sein Wohlergehen, noch für den günstigen Erhaltungszustand
braucht, spielt keine Rolle. Dass ihm in vielen Küstenregionen die natürliche Nahrungsgrundlage
Schalenwild fehlt und Schafe dafür herhalten müssen (Westküste Schleswig-Holstein mit über 400
Rissereignissen von 2016-20), wird im BMU konsequent ausgeblendet.
Dort zählt alleine für den Wolf der grundgesetzliche Tierschutz!
Der Wolf empfindet Leid, er empfindet Schmerzen!?
Was empfinden Schafe, die mit heraushängendem Gedärm von Schmerzen gelähmt auf der Koppel
stehen? Die Frage wird nicht gestellt. Wurden sie etwa nicht korrekt geschützt? Was empfinden Reh
und Hirsch, wenn sie von Wölfen zu Tode gehetzt und gewürgt werden? Macht nichts, es ist ihre
Bestimmung, als Wolfsfutter zu sterben.
Der sauber geschossene Wolf leidet in jedem Fall weniger, wie auch sauber geschossenes Wild.
Wer aber bitte den Abschuss von Wölfen in bestimmten Regionen als „Töten ohne vernünftigen
Grund“ bezeichnet, möge sich bitte mit der Frage rotwildfreier Gebiete mit Abschussanordnung
auseinandersetzen. Auch dort hat dann der Tierschutz zu gelten, wo in der Praxis vieler Forste noch
nicht einmal der Muttertierschutz respektiert wird.
Offenbar sind hier bei der eiligen Entscheidungsfindung zum Wolf in mehrfacher Hinsicht die ethischen
und rechtlichen Kompassnadeln verrutscht. Wenn nach Ansicht der Ministerin eine wolfsfreie Zone
grundgesetzwidrig sein soll, trifft dies auch für sämtliche rotwildfreien Zonen in Deutschland zu. Oder
ist der größte heimische Herbivore unseres Landes als Vegetarier ein niederes Wesen, dem dieser
Schutz nicht zusteht? Ihm ist die gleiche Freizügigkeit zu gewähren wie dem Wolf.
Das emotional vorgetragene Beiwerk der Wolfsbotschafterin zum Schutz des Wolfes verfängt nicht
und kann auch nicht die gefährliche Ignoranz gegenüber geltenden Gesetzen überdecken. Ihr
Vorschlag könnte aber durchaus Erfolg haben, wenn man sich seitens des BMU dazu entschließt, die
dafür notwendigen rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen:
1. Die sofortige Feststellung des günstigen Erhaltungszustandes des Wolfes in Deutschland
anhand der aktuell vorliegenden Bestandszahlen. Dabei ist analog Schweden eine feste
Bestandsuntergrenze anzugeben, die zum sicheren Erhalt der Art nicht unterschritten werden
darf.
2. Die wörtliche Übernahme des Artikels 16 (1) der FFH-Richtlinie in den § 45 (7) BNatSchG und
die Streichung der in der Praxis als nicht anwendbar erwiesenen Lex Wolf. Das ist keine große
Gesetzesnovelle und es muss, nein darf auch kein Satz dazu neu formuliert werden, copy &
paste – fertig!
3. Den Bundesländern, die meisten warten ja sehnlichst auf eine praktikable Lösung, kommt
dann die Aufgabe zu, Ihre Wolfsverordnungen den neuen Gegebenheiten anzupassen. Die
anstehende UMK ist der richtige Zeitpunkt, sich dazu abzustimmen. Bei allem Föderalismus ist
hier eine möglichst einheitliche Linie dringend geboten.
Die aktuelle Bundesregierung hat bei allen Querelen in ihrer bisherigen Amtszeit gelegentlich auch
bewiesen, dass man Gesetzesvorhaben in sehr überschaubarer Zeit zur Verabschiedung bringen kann.
Hier könnte sie zeigen, dass sie es noch nicht wieder verlernt hat. Die größte Gefahr für dieses
Vorhaben lauert aber in dem von den einschlägigen NGO’s stark bestimmten Umweltministerium
selbst. Dort wird man über den großen Schatten des heiligen Wolfes springen müssen.